Ein Mittelspecht steigt aus

Für den seltenen Mittelspecht bieten Eiszeitlandschaften wie der Grumsiner Forst, der Serrahn oder der Plagefenn im Biosphärenreservat Schorfheide/Chorin ideale Lebensräume. Da ist alles zu finden, was dieser Specht bevorzugt: Laubwälder (möglichst mit Eichen) und Erlenbrüche.

Mein jüngstes Treffen mit Mittelspechten wurde zu einer Lehrstunde in Spechtpädagogik. Von den drei Jungvögeln des Jahrgangs 2012 wollte einer seine Bruthöhle nicht verlassen, trotz des offenbar kaum noch zu ertragenden Hungers, hörbar an den nicht endenden Bettelrufen. Sein „kik kük-kük-kük“ aus der Höhle begleiteten entweder die Alten oder die ausgeflogenen Geschwister mit ihrem „kik kük“. Der kleine Bursche reckte zwar immer wieder seinen rotgekrönten Kopf aus dem Loch, aber ganz heraus traute er sich nicht.

Ich hatte schon knapp zwei Stunden nahe der Höhle zugeschaut und zugehört als einer der Altvögel das Drama beendete. Seinen Schnabel voller Insekten setzte er wie ein Fliegenfischer als Köder ein. In seiner Gier rutschte der ausgehungerte Kleine dem gefüllten Schnabel immer weiter nach und vergaß dabei völlig, dass er eigentlich in der Höhle bleiben wollte.

Was dort geschah, ist auf den Fotos wenigstens annähernd zu sehen. Sehr bald musste der kleine Kerl mit der Schwerkraft kämpfen, sich an der Rinde festkrallen und mit den Flügeln sein Gleichgewicht ausbalancieren. Am Ende marschierte er wie ein Alter den Baum hoch und stritt sich oben im Blätterdach mit einem seiner Geschwister. Aber vielleicht jubelten sie nur gemeinsam über das neue Leben draußen in der großen grünen Freiheit.