Auf dem Zug

Den Nationalpark gleich hinter der Grenze hatte es arg gebeutelt. Im Frühjahr 2010 stand das Wasser der Warthe bis in den Sommer hinein ähnlich hoch wie das der Oder. Selbst der Deich entlang der Wiesen war gesperrt. Keine Möglichkeit bei Eliza Engel, Chefin des Natur-Reisebüros neben der Pumpstation, vorbeizufahren und Neuigkeiten zu erfragen. Und genauso war es 2011 bis weit in den Februar hinein. Rechtzeitig zum Zug der Nordischen Gänse und der Singschwäne ging das Wasser im Park leicht zurück. Vom Deich hinter Slonsk konnte ich weiße Tupfer auf der ganzen weiten Wasserfläche sehen. Einige Familien suchten ihre Nahrung gleich am Deichrand. Dies in enger Nachbarschaft zu schon verpaarten Höckerschwänen, die sich um Brutplätze kümmerten und manchmal Paarungstänze tanzten.

Das große Spektakel aber fand links der Straße von Kostrzyn nach Slonsk statt. Gänsetrupps mit Tausenden Vögeln hatte ich auch im Deichvorland der Oder bei Güstebieser Loose gesehen, aber hier stiegen ganze Wolken auf, wenn wieder einmal ein Seeadler auf der Jagd hinunter zur Wasserfläche stieß. Oft waren die Trupps so dicht, dass es aussah, als ob sich ein Dach über den nahrungssuchenden Schwänen und Enten ausgebreitet hätte.

Auf einem meiner Fotos entdeckte ich an einem Singschwan den blauen Halsring mit der Nummer 3H01. Dmitrijs Boiko aus Riga, der lettische Singschwäne mit solchen blauen Halsringen versieht, schrieb mir, dass der Vogel aus dem Nachbarland Litauen stammt. Beringt von einem anderen baltischen Singschwan-Spezialisten, von Julius Morkunas.

3H01 legte an der Warthemündung mit den anderen eine Pause auf den Flug zu Brutplätzen in den Baltischen Staaten oder noch weiter östlich ein. Vielleicht hatte er die kalte Zeit am Bodensee verbracht, gemeinsam mit unseren, den im Spreewald brütenden Singschwänen. Möglicherweise auch auf den traditionellen Überwinterungsplätzen von Norddeutschland bis hoch zum Brandenburger Nationalpark Unteres Odertal.

Schöner werden die strahlend weißen Vögel nicht durch ihre gelben oder blauen Halsringe, aber sie helfen damit ihrer Art: Zugwege und Rastplätze werden besser bekannt und können gezielter geschützt werden.